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Am 01.01.2021 ist der Brexit wirksam geworden. Englische Limiteds können sich nun, da Großbritannien aus der EU ausgetreten ist, nicht mehr auf die Niederlassungsfreiheit in der EU berufen. Sie verlieren damit in den allermeisten Fällen ihre Rechtsfähigkeit in Deutschland. Keinesfalls sollte jedoch eine operative oder Vermögen haltende englische Limited vorschnell gelöscht werden; die steuerlichen Folgen können verheerend sein (siehe unten Abschnitt 3). Auch nach dem 01.01.2021 können englische Limited im deutschen Recht noch "gerettet" werden, nämlich durch den steuerneutralen Übergang auf eine irische Limited (siehe hierzu unten Abschnitt 4). |
1.) Das Handelsabkommen zwischen der EU und Großbritannien
Das gut 1.200 Seiten starke Handelsabkommen, das die EU mit Großbritannien auf den letzten Drücker am 24.12.2020 noch geschlossen hat, bestimmt, dass in der EU nur solche englischen Limiteds rechtlich anerkannt werden, die im Vereinigten Königreich über eine substantielle Geschäftstätigkeit verfügen ("engaged in substantive business operations in the territorry of the United Kingdom").
Demnach sind englische Limiteds, die in England nur über einen Briefkasten verfügen, in der EU rechtlich nicht mehr anerkannt.
2.) Limiteds nach dem Brexit im deutschen Recht
Auch nach der von der Rechtsprechung entwickelten sogenannten Sitztheorie ist im deutschen Recht einer englischen Limited mit Verwaltungssitz in Deutschland die Rechtsfähigkeit zu versagen. Diese Sitztheorie wurde 2002 vom EuGH gekippt - allerdings nur für Gesellschaften aus anderen EU-Mitgliedsstaaten. (Entsprechendes gilt für Österreich.) Demnach können sich englische Limited seit dem Wirksamwerden des Brexit nicht mehr auf die Niederlassungsfreiheit berufen und das Geschäft der Limited mit allen Aktva und Passiva wird damit dem bzw. den Gesellschafter(n) zugeordnet. Die Folgen:
- Hatte die Limited am 01.01.2021 eine natürliche Person als Gesellschafter, dann wurde dieser zum Einzelunternehmer.
- Hatte die Limited am 01.01.2021 mehrere Personen als Gesellschafter, dann wurden diese zur GbR oder, wenn gewerblich geprägt, zur OHG. (Letztere muss beim Handelsregister eingetragen werden.)
- Hatte die Limited am 01.01.2021 eine juristische Person zur alleinigen Gesellschafterin (z.B. eine irische Holding-Limited), dann sind die Aktiva und Passiva auf diese Holding-Limited übergegangen. Dies gilt auch für die Zweigniederlassung der englischen Limited; die Holding-Limited muss dann ihrerseits eine neue Zweigniederlassung anmelden.
- Eine Ltd. & Co. KG mit englischer Komplementär-Limited wurde am 01.01.2021 zur KG, deren Komplementär der Limited-Gesellschafter ist. Ist er zugleich Kommanditist, erlischt automatisch auch die KG, weil die Identität von Kommanditist und Komplementär nach dem HGB nicht möglich ist. Eine Ein-Mann-Ltd. & Co. KG wird damit zum Einzelunternehmen; gibt es mehrere Gesellschafter, entsteht eine GbR oder OHG.
- Inwieweit bei einer Stiftungs-Limited die Zuordnung von Aktiva und Passiva auf deren Mitglieder erfolgt, obwohl das englische Recht eine Beteiligung der Mitglieder am Vermögen der Gesellschaft ja ausdrücklich ausschließt, ist derzeit wohl noch nicht geklärt. Hier bleibt die Entwickung der Rechtsprechung abzuwarten. Ein Verlust der Unpfändbarkeit ist demnach möglich.
Doch es gibt auch eine andere Meinung, wonach englische Limiteds mit Verwaltungssitz in Deutschland, die vor dem Brexit gegründet wurden, u.U. eine Art Bestandsschutz genießen. So heißt es hierzu etwa im Fachblatt GmbH-Rundschau, dass "es zu den Grundprinzipien unserer Rechtsordnung gehört, dass die Wirksamkeit von einmal getätigten Dispositionen und Rechtshandlungen - hier also der Etablierung einer Ltd. in Deutschland - nicht durch eine Änderung der Rechtslage wieder entzogen werden darf ." (Quelle: Bode/Bron: Brexit als Risiko für die Limited und LLP? In: GmbHR Heft 9/2016). Hintergrund ist der Vertrauensschutz, der einen wesentlichen Pfeiler des Rechtsstaats bildet - der Bürger muss sich auf das Recht verlassen können. Das gilt sowohl im deutschen wie auch im europäischen Rechtssystem. In einem ähnlich gelagerten Fall hat der BFH kürzlich entschieden, dass das Vertrauen der Bürger auf das geltende Recht geschützt ist, solange das entsprechende Gesetzgebungsverfahren noch nicht begonnen hat. Dass die Annahme eines Bestandsschutzes allerdings eine Mindermeinung darstellt, legt der BGH-Beschluss v. 16.02.2022 (Az.: II ZB 25/17) nahe: Eine 2014, also vor dem Brexit-Referendum 2016, gegründete englische Limited kann sich dem BGH zufolge nicht mehr auf die europäische Niederlassungsfreiheit berufen, genießt also keinen Bestandsschutz.
3.) Vorsicht Liquidationsbesteuerung - darum sollten Sie Ihre englische Limited keinesfalls vorschnell löschen
Wer nun einfach seine englische Limited löscht und/oder das Unternehmen in anderer Rechtsform (z.B. als Einzelunternehmen, UG oder irische Limited) weiterführt, begeht möglicherweise einen existenzbedrohenden Fehler.
Denn englische Limiteds genießen in Deutschland nach dem Brexit einen unbefristeten steuerlichen Bestandsschutz: Aufgrund des Brexit-Steuerbegleitgesetzes bestehen sie in steuerlicher Sicht mit ihrem Altvermögen als Körperschaft weiter, solange sie im englischen Register eingetragen sind.
Ein solcher Übergang des Geschäfts von der englischen Limited auf einen neuen Rechtsträger – z.B. den Gesellschafter – würde von der Finanzverwaltung als Betriebsübergang bzw. Unternehmensverkauf behandelt. Damit kommt es zu einer Liquidationsbesteuerung und Aufdeckung der Stillen Reserven. Entsprechendes gilt im Fall der Löschung der Limited aus dem Register des Companies House.
Hierzu ein Beispiel: Angenommen, die Limited hatte in den letzten 3 Jahren einen durchschnittlichen Gewinn von 10.000 Euro, Gewinn in dieser Höhe sei auch für die Zukunft zu erwarten und die Bilanz weist ein Eigenkapital von 50.000 Euro aus (keine Verbindlichkeiten).
Die Finanzverwaltung wird den Immateriellen Firmenwert nach dem gemäß Bewertungsgesetz für solche Fälle anzuwendenden Vereinfachten Ertragswertverfahren bestimmen; er ergibt sich durch Multiplikation des Durchschnittsgewinns mit dem Faktor 13,75 – der Immaterielle Firmenwert beträgt aus Sicht der Finanzverwaltung damit 137.500 Euro. Setzt man die Unternehmenssteuern (KSt, Soli, GewSt) mit 30 Prozent an, sind hierauf zunächst also 41.250 Euro Steuern zu zahlen.
Das verbleibende (bilanzierte und nicht bilanzierte) Vermögen der Limited beträgt damit (50.000 + 137.500 – 41.250 =) 146.250 Euro. Bei einer entsprechenden Dividendenausschüttung fallen auf Gesellschafterebene weitere Steuern (26,375 Prozent AbgSt u. Soli) von 38.573 Euro an. Die Gesamtsteuerbelastung liegt im Beispiel damit bei 79.823 Euro – und das wohlgemerkt, obwohl tatsächlich kein Cent Kaufpreis geflossen ist.
Für die Mehrzahl der betroffenen Unternehmer dürfte dies finanziell das Aus bedeuten.
Die Folge des steuerlichen Bestandsschutzes ist daher, dass die Limited im englischen Register eingetragen bleiben muss, sollen diese Steuerfolgen vermieden werden. Das gilt auch, wenn zuvor eine Holdinggesellschaft (z.B. irische Limited) gegründet wurde.
4.) So "retten" Sie Ihre englische Limited im Jahr 2023 im deutschen Recht
Viele englische Limiteds mit deutschem Verwaltungssitz haben darauf spekuliert, dass die Rechtsfähigkeit ihrer Limited auch nach dem Brexit erhalten bleibt - und diese Wette leider verloren, siehe oben.
Es gibt jedoch eine Handlungsoption, die die Limited "retten" kann: Der Gesellschafter der englischen Limited gründet eine irische Limited (irische Limiteds sind als EU-Gesellschaften weiterhin in allen EU-Staaten uneingeschränkt anerkannt). Anstatt das gezeichnete Kapital von z.B. EUR 100 einzuzahlen, bringt der Unternehmer seine Shares der englischen Limited ein. Das irische Gesellschaftsrecht lässt solche "Sachgründungen" ausdrücklich zu; hier heißt es: "Shares may be paid up in money or money's worth".
Anders als in Deutschland ist eine solche Sacheinlage deshalb möglich, weil in Irland die Rechtsfähigkeit ausländischer Gesellschaften nach dem Recht des Gründungsstaats beurteilt wird, also stets gegeben ist. Englische Limiteds bleiben im hier maßgeblichen irischen Recht also weiterhin anerkannt.
Entsprechendes gilt wie gesagt im deutschen Steuerrecht, sodass die Übertragung der Shares der englischen Limited an die irische Limited als Holding in Deutschland steuerneutral möglich ist: Gemäß § 21 UmwStG kann die Beteiligung an der operativen englischen Limited ohne Aufdeckung der Stillen Reserven in die irische Limited eingebracht werden (sog. Anteilstausch). Voraussetzung dafür, dass dieser Anteilstausch im Wege der Einbringung ohne Aufdeckung der Stillen Reserven vonstatten geht, ist, dass bei der Finanzverwaltung für die Holding-Gesellschaft ein Antrag auf Buchwertfortführung gestellt wird und mindestens 51 Prozent der Shares der englischen Limited übertragen werden. Wir empfehlen ausdrücklich, die steuerlichen und rechtlichen Details (z.B. zum zivilrechtlichen Übergang der Aktiva und Passiva) von einem Steuerberater bzw. Rechtsanwalt klären zu lassen.
Die irische Limited, auf die das (operative) Geschäft übergeht, muss ihre deutsche Zweigniederlassung beim Handelsregister anmelden. Die Kosten dieser „Limited-Rettung“ betragen EUR 890 (einschl. der beglaubigten Dokumente und Kosten für 12 Monate, danach EUR 460 p.a., im Bestellformular für die irische Limited bitte das Deutschland-Paket auswählen).
5.) Fazit:
Limiteds, die in England nur über einen Briefkasten verfügen und deren Geschäft sich ansonsten in Deutschland abspielt, dürften seit 01.01.2021 im deutschen Recht nicht mehr anerkannt sein. Sie sind in Deutschland nicht "verboten" oder "illegal", werden rechtlich aber als Personengesellschaft bzw. Einzelunternehmen zu behandeln sein.
Absolute Rechtssicherheit über die weitere Anerkennung einer englischen Limited in Deutschland wird leider erst in einigen Jahren möglich sein, wenn die ersten obergerichtlichen Entscheidungen zu den dsbzgl. Verfahren vorliegen.
Durch Vorschaltung einer irischen Limited als Holding besteht die Möglichkeit, in Deutschland ohne steuerliche Nachteile weiter mit einer haftungsbeschränkten Kapitalgesellschaft tätig zu sein, auf die die Aktiva und Passiva der englischen Limited im deutschen Zivilrecht übergehen. Erfolgt die Übertragung an die irische Limited nach dem 31.12.2020, haften die Altgesellschafter jedoch für die zu diesem Zeitpunkt bestehenden Verbindlichkeiten wohl persönlich.
Aufgrund der unterschiedlichen Behandlung im Steuer- und im Zivilrecht müssen Unternehmer, solange die genannten Steuernachteile vermieden werden sollen, ihre englische Limited im englischen Register eingetragen lassen. Das gilt auch, wenn eine irische Holding-Limited vorgeschaltet wird. Wer das Geschäft zu schnell auf einen neuen Unternehmensträger (z.B. eine Unternehmergesellschaft oder eine irische Limited) überträgt, riskiert verheerende steuerliche Folgen: Das Finanzamt wird dann den gesamten Unternehmenswert, einschließlich der Stillen Reserven und dem Immateriellen Firmenwert (Durchschnittsgewinn mal 13,75!) besteuern.